Rückkehr ins Paradies?

An einen Ort zurückzukehren, der beim ersten Besuch als Paradies erschien und in der Erinnerung wohl noch weiter verklärt wurde, scheint gewisse Risiken zu beinhalten. Nie kann ein realer Ort mit guten Erinnerungen mithalten und ein Ort, der mit hohen Erwartungen aufgesucht wird, ist diesen wahrscheinlich auch nie gewachsen. Ganz anders dagegen ein erster Besuch, wenn dieser noch dazu ohne besonders hohe Erwartungen angetreten wurde. Aber wie sollte uns unser Paradies, Koh Rong, schon enttäuschen? Das türkisblaue glatte Wasser, der schneeweiße Strand, das leckere günstige Essen in den Strandrestaurants, die fröhlich und unbekümmert umherlaufenden Kinder und Hunde. Also, wenn schon Weihnachten nicht zu Hause, dann wenigstens zurück auf die Insel und Weihnachten unter Palmen verbringen. Es wird schon genauso sein wie beim ersten Besuch. Zumal, da dieser auch nur gerade mal drei Wochen zurücklag. So zumindest unsere Überlegungen.

Um es vorwegzunehmen, wir haben es überhaupt nicht bereut, dass wir zurück gekommen sind. Aber die Regel des zweiten Besuchs, der den Erwartungen nie gewachsen ist, bestätigte auch hier ihre Richtigkeit. Da wir ja bereits zuvor vom Paradies sprachen, bietet es sich wohl an, in religiösen Deutungsmustern zu verharren. Der Teufel persönlich muss nämlich all sein Können aufgeboten haben, um die Schattenseiten des Paradieses aufzuzeigen, die uns blenden sollten. Das Meer war aufgewühlt, die Wellen schlugen jeden Tag etwas höher und das eigentlich türkisfarbene Wasser verdunkelte sich von Tag zu Tag. Der Strand war zu Zeiten der Flut zu einem kleinen Streifen verengt, der täglich mit jeder neuen Flut kleiner wurde, bis schlussendlich gar kein Strand mehr übrig war. Unsere ehemals private Campingbucht wurde vollständig überflutet, und hätte unser Zelt weiterhin dort gestanden, wäre es wohl von den Fluten mitgerissen worden. Der Boden unseres Lieblingsrestaurants, in das die Flutwellen bereits seit dem frühen Morgen hereinschlugen, tat sich plötzlich auf und Teile wurden vom Meer verschluckt, das sich daran machte, das Fundament freizulegen. Die einst friedlich am Strand herum lungernden Hunde begannen um eine rollige Hündin zu kämpfen wie eine Horde Hippies, die vergessen hatte, genügend Hippies weiblichen Geschlechts für ihre Insel-Kommune einzuplanen. Und auch die Kinder, die einst nackt am Strand spielten, zeigten ihre hässliche Fratze, als sie die Weihnachtsüßigkeiten auf unserem Tisch entdeckten und wir in einem Anflug weihnachtlicher Gefühle, oder vielleicht auch als Folge einer teuflischen Täuschung, unsere Grundregel brachen, keine Süßigkeiten an Kinder zu verschenken. Wir wurden danach umzingelt, sie waren überall und mit jeder Süßigkeit, mit der wir versuchten uns frei zu kaufen, wurde der Ansturm heftiger.

Aber unser Glaube an unser Paradies war stark genug, um all diesen teuflisch inszenierten Widrigkeiten zu trotzen und jeden Tag zu genießen.

Dabei mussten wir allerdings feststellen, dass die Sache mit dem Weihnachten unter Palmen nicht wirklich unser Ding ist. Weihnachten macht einfach nicht viel Sinn, wenn es draußen nicht kalt und schmuddelig ist 🙂 Um trotzdem unsere weihnachtlichen Gefühle zu kanalisieren, erschufen wir einen großen Sandmann, der dem Schicksal seiner kalten Brüder folgte und in der herannahenden Flut dahinschmolz. Umgeben von so vielen Leuten unterschiedlicher Nationalität, konnten wir wenigstens feststellen, dass die Unterschiede zwischen polnischen und deutschen Weihnachtstraditionen nicht so groß sind, wie sie uns ursprünglich erschienen. Gemeinsam versuchten wir auch anhand der Geschenküberbringungszeiten verschiedener Länder die Flugbahn des Weihnachtsmannes zu bestimmen, die sich nach unseren vorläufigen Informationen wie folgt darstellt: Zunächst werden die Geschenke am 24. in Deutschland abgeliefert. Danach geht es weiter nach Frankreich, wo die Geschenke um Mitternacht zugestellt werden, und tief in der Nacht geht es dann über den Kanal nach England. Für Holland bleibt nicht viel Zeit, und daher werden dort die Hauptgeschenke schon am 6. Dezember ausgeliefert. Die weitere Flugbahn bleibt ein Rätsel, aber es muss wohl immer weiter nach Westen gehen, da eine Auslieferung in Russland erst am 6. Januar erfolgt. Sachdienliche Hinweise für die weitere Flugroute werden gerne entgegen genommen.

Wie jedes Weihnachten endet allerdings auch ein Weihnachten unter Palmen. Da wir uns vom Teufel nicht aus unserem Paradies vertreiben ließen, muss er in den letzten Tagen seine Taktik geändert haben. In einem letzten genialen Schachzug wühlte er das Meer an dem Tag unserer Abreise so sehr auf, dass das Boot am Morgen aus Sicherheitsgründen nur 20 Personen transportieren wollte und wir somit nicht mehr drauf passten. Die Tatsache, dass ihr diese Zeilen lesen könnt, bedeutet allerdings, dass wir einen Platz auf dem Nachmittagsboot bekamen und die Überfahrt augenscheinlich unbeschadet überstanden haben.

Zurück in einem überfüllten Sihanoukville zeigte sich allerdings erst wirklich, wo der Teufel seine Zelte aufgeschlagen hat. Aufgrund unserer späten Ankunft, die jede Weiterfahrt und das Aufspüren eines freien Zimmers unmöglich machte, dürfen wir jetzt eine Nacht in einem Schlafsaal mit 24 besoffenen Halb Vollidioten verbringen und uns Geschichten im folgenden Stil anhören: „Ey, was geht. Voll geil hier. Sind heute mit dem Boot zu diesem geilen einsamen Strand auf einer fetten Insel gefahren und haben dort die fette Musik am Strand gemacht und nur gesoffen und so. Bin noch voll drauf. So geil hier“. Auf unsere etwas sinnlose Smalltalk Frage, ob er in sechs Monaten in Kambodscha schon viel vom Land gesehen habe, bekamen wir dann folgende Antwort: „Joa. Sihanoukville, Utopia [Die üble Absteige, in der wir uns zurzeit befinden] und den Boden vieler Gläser.“

In diesem Sinne frohe Restweihnachten und einen guten Rutsch!

Diesmal haben wir uns auch einen eigenen Bungalow geleistet

Ein erster spontaner Anflug von Weihnachtsgefühlen

Sunny, the sunbathing sandman

6 Gänge Weihnachtsmenü im Strandrestaurant mit Freunden aus der Monolei

 

Notstand während der Flut in einem Strandrestaurant. Die Besitzer nahmen es allerdings mit Humor und freuten sich, dass wir halfen, die vom Einsturz bedrohten Schränke auszuräumen.

Dieser Beitrag wurde unter 08. Kambodscha veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten auf Rückkehr ins Paradies?