In Richtung Kurdistan

Nun ist es also doch noch passiert. Ein Taxifahrer lehnte die Bezahlung für seine Dienste ab. Wir hatten schon vor dem Besuch im Iran davon gelesen, mussten aber bis in den äußersten Westen reisen, in die Hauptstadt der iranischen Kurden nach Sanandaj, bis sich ein Taxifahrer traute, die traditionelle Höflichkeit auch Touristen zuteil werden zu lassen. Der Taxifahrer erwartete nämlich trotz seines Angebots eine Bezahlung. Das ganze nennt sich Taarof und könnte als institutionalisierte Höflichkeit beschrieben werden. Im Iran muss etwas drei Mal angeboten werden, bevor man sicher sein kann, dass es ernst gemeinst ist, was allen Beteiligten die Möglichkeit geben soll, ihr Gesicht zu wahren. Wer es sich nicht wirklich leisten kann, etwas anzubieten, tut dies nur einmalig, das Angebot wird dann mit Sicherheit abgelehnt. Nach mehrmaliger Wiederholung ist allerdings klar, dass es ernst gemeint ist und das Angebot kann guten Gewissens angenommen werden. Im Iran wird ständig etwas angeboten (vom Essen im Zug bis zur Einladung, über Nacht zu bleiben) und meist wird es so oft wiederholt, dass kein Zweifel an der Ernsthaftigkeit besteht. Lehnt man nach dem dritten Mal immer noch das Essen der Nachbarn im Zugabteil ab, bekommt man es einfach in die Hand gedrückt 🙂 Das Angebot unseres Taxifahrers in Sanandaj lehnten wir sehr zur seiner Freude ab, da es natürlich extrem unhöflich gewesen wäre, ein solches Angebot anzunehmen. Ob das System Sinn macht oder nicht, sei dahingestellt – schließlich weiß ja jeder, dass eine einmalige Einladung eigentlich gar keine Einladung ist – aber es führt immer zu einem freundlichen Umgangston.

Ein letztes Mal muss ich noch auf mein Lieblingsthema der letzten Woche, Ramadan, zurückkommen, werde es diesmal aber kurz halten. Wir haben uns nämlich nochmals genauer bei wikipedia über die Ramadan Regeln informiert. Nicht nur auf das Essen und Trinken soll verzichtet werden, sondern unter anderem auch auf Zigaretten, Schminken und Sex. Da Ramdan vor allem dazu dienen soll, das Leiden der armen Menschen nachzuempfinden, frage ich mich, warum arme Menschen nach islamischer Meinung keinen Sex haben? Ansonsten kann festgestellt werden, dass 95 % der Frauen, die in der Öffentlichkeit zu sehen sind, unübersehbar die Ramadan Regeln brechen 😉

Entspannt sind dagegen Teherans Taxifahrer, obwohl der Verkehr einfach unmenschlich ist. In Teheran leben über 20 Millionen Menschen, fast ein Drittel der Bevölkerung des Irans. Die Aggressivität Moskaus wird deutlich übertroffen und niemandem wird ein Millimeter geschenkt. Dazu kommen noch auf Gott vertrauende Motorradfahrer, die ihren Führerschein in Vietnam gemacht haben müssen, und Ampeln und deren Lichtzeichen als bloße Empfehlung angesehen werden. Der Iran soll das Land mit der statistisch relativ höchsten Zahl an Verkehrstoten weltweit sein (keine Angst, wenn ihr diese Zeilen lesen könnt, bedeutet es, dass wir den iranischen Verkehr überlebt haben), was die Regierung zu einer strikten Anschnallkampagne veranlasste. Kurz vor den auf Schildern angekündigten Polizeikontrollen wird der Gurt daher halb umgelegt und unter den Arm geklemmt, nur um ihn direkt nach der Kontrolle wieder zu lösen. Viele Motorradfahrer verfügen auch über einen Helm, haben sich aber dazu entschlossen, mit selbigem den Tacho statt ihr Haupt zu schützen.

Ein besonders netter Taxifahrer, der uns durch viele kleine Straßen manövrierte, damit wir die schönen Seiten Teherans sehen, und dazu Pink Floyd hörte, fragte mich etwas schüchtern: „Heil Hitler?“. Da er wohl in meinem Blick lesen konnte, dass ich den nächsten Iraner, der mir was davon erzählen möchte, dass sowohl Iraner als auch Deutsche Arier seien, ungespitzt in den Boden ramme, sagte er schnell „No, Heil Hitler“. Nach ein ein paar Sekunden zeigte er dann auf sich, reckte den Daumen nach oben und sagte „Chomeini good“. Hm, hat er gerade wirklich Chomeini und Hitler in der gleichen Liga  spielen lassen … ? 😉  Im Iran wird übrigens auch behauptet, dass das Hakenkreuz eigentlich ein altes persisches Symbol sei. Die Hindus benützten es zwar auch, antike Artefakten mit dem Symbol seien allerdings nur in Persien gefunden worden. Keine Ahnung, ob dies stimmt, heutzutage wird es in Indien jedenfalls wesentlich häufiger benutzt als im Iran. Wir haben lediglich ein paar Teppiche mit Hakenkreuz zu Gesicht bekommen, als wir mit unserem Fahrer, einem Zorastrier, in der Region um die Wüstenstadt Yazd unterwegs waren.

Bis wir in den Iran kamen, ging ich davon aus, dass die Anhänger Zarathustras ausgestorben seien, im Iran und vor allem in der Region um Yazd gibt es allerdings noch eine größere Gemeinde, die es unter den Mullahs zwar nicht so einfach hat, aber auch nicht aggressiv verfolgt wird. Unser zoroastrischer Fahrer war ein netter älterer rundlicher Mann, mit dem wir eine Tagestour unternahmen. Wir besuchten dabei auch Chak Chak, das wir für eines der wichtigsten zoroastrischen Heiligtümer hielten. Unser Fahrer klärte uns allerdings auf. Chak Chak sei nur die beliebteste heilige Städte, da es auf einer guten Straße erreichbar sei, die Infrastruktur für eine große Anzahl picknickender Familien gegeben sei und sogar ein nahestehender Sendemast für Handyempfang sorge. Die anderen heiligen Städten seien einfach abgelegener. Ich mag pragmatische Religionen 🙂

In Yazd übernachteten wir auch erstmalig in einem Hotel, um einfach auch mal einen Tag auszuspannen und nichts zu machen. In Teheran wollten wir eigentlich wieder couchsurfen, was aus unglücklichen Umständen nicht funktionierte. Wir trafen uns  allerdings an einem Tag mit der besten Freundin unserer Gastgeberin aus Maschhad und hatten einen sehr netten Tag, wobei wir längere Zeit nach einem sicheren Ort im Park suchten, um unauffällig unser Mittagessen zu verspeisen 🙂 Da es mit dem Couchsurfen nicht funktionierte, unser Hotel nicht gerade gemütlich war und uns Teheran auch nicht wirklich gut gefiel, ging es nach nur zwei Nächten weiter in das kurdische Sanandaj. Wir kamen hier, aus Gründen die dem iranischen Busverkehr eigen sind – eine halbe Stunde zu spät los fahren, um kurz danach wieder eine Stunde auf irgendetwas zu warten – erst am späten Nachmittag an und waren dann zu faul, uns die Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Wir sind wohl etwas reisemüde und freuen uns darauf, bald wieder in unseren eigenen Betten zu schlafen, keine Sehenswürdigkeiten mehr anzuschauen und einen wirklichen Job zu suchen. Sanandaj ist eine recht entspannte Stadt, auch wenn das Übernachtungsangebot nicht wirklich überzeugen kann. Ein Hotel wollte uns sogar kein Zimmer geben, da der Held von einem Hotelmanager meinte, unsere Visa seien abgelaufen. Dabei war lediglich die dreimonatige Frist zur Einreise abgelaufen, aber das wollte er nicht verstehen. Am beeindruckendsten war in Sanandaj die Veränderung der Kleidung, die schon im Bus in Teheran beobachtet werden konnte. Viele kurdische Männer tragen ihre traditionellen Baggyhosen, die etwas an die weiten Anzugshosen erinnern, die amerikanische Gangster in den 20er Jahren trugen. Dieser Eindruck kommt vor allem auf, wenn diese traditionellen Hosen mit modernen Hemden kombiniert werden.

Wie in allen Städten, die wir in den letzten Wochen besuchten, gibt es auch in Sanandaj nahegelegene Berge mit Blick auf die Stadt, die aus einem älteren amerikanischen Hollywoodfilm stammen könnten. Die im Auto knutschenden Teenager, die auch gerne mal von Aliens verspeist werden, sind im Iran allerdings durch picknickende Familien ersetzt. Ich muss allerdings zugeben, dass wir diesen Berg in Sanandaj nicht wirklich erklommen, da wir, wie schon angesprochen, einfach etwas faul waren.

Statt dessen feierten wir unseren ersten Hochzeitstag in einem miesen Hotel mit einer britischen Komödie über Depressionen („Submarine“, sehr zu empfehlen). Wenn das mal keine positive Symbolik ist 😉

Moschee in Yazd

Altstadtgassen in Yazd

Ein altbekanntes Kommunikationsproblem 😉

Verlassenes zoroastrisches Dorf nahe Yazd

Verlassenes Dorf Kharanaq

Kharanaq

Kharanaq

Kharanaq

Zoroastrischer Tempel Chak Chak

Aussicht von Chak Chak

Alter Taubenturm in Meybod (nahe Yazd). Die Hinterlassenschaften der Tauben wurden als Dünger eingesetzt.

Wüstenkühlschrank in Meybod. Hier wurde Eis aus dem Winter für den Sommer gelagert und im gegenüberliegenden "Hotel" (caravanserei) verkauft.

Windfänger. Eine alte Klimaanlagentechnik

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