Von Blutegeln, Elefantenhäufchen und einigem mehr

Bereits über einen Monat in Südostasien und noch keinen Dschungel gesehen? Das musste natürlich geändert werden. Kambodscha bietet in dieser Hinsicht noch einiges mehr als Vietnam, auch wenn zurzeit große Teile des Dschungels durch illegalen Holzeinschlag verloren gehen. Chi Phat, ein kleines Dorf zwischen Südküste und den Cardomon Bergen, wo eine Nichtregierungsorganisation versucht, Wilderer und Holzfäller zu Homestay Besitzern, Tierschützern und Dschungelführern umzuschulen, sollte unser Ziel sein. Auf der Nationalstraße zu diesem Ziel ging es allerdings zunächst nicht mehr weiter, da Demonstranten die Straße bereits seit sechs Stunden besetzt hielten. Demonstriert wurde, so weit wir es verstanden, gegen die Bauaktivitäten chinesischer Firmen, die große Teile des eigentlich als Nationalpark geschützten Dschungels direkt an der Küste abholzen und die Menschen vertreiben, um Touristenstädte zu errichten. Wir bereiteten uns schon darauf vor, hier einige Stunden verbringen zu dürfen; allerdings stellte sich dann heraus, dass wir nur wenige Kilometer von unserem Ziel entfernt waren und somit zu Fuß gehen und dann auf Scooter-Taxis umsteigen konnten. Die gute Nachricht in Bezug auf Scooter-Taxis in Kambodscha ist, dass die Helme von wesentlich höherer Qualität sind als in Vietnam, wo ein Helm gerade mal 3 Euro kostet und eher ein farbenfrohes Modeaccessoire darstellt. Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass nur die Fahrer einen Helm tragen müssen und daher nie einen zweiten Helm dabei haben. Dafür bekomme man ja schließlich keinen Strafzettel 😉

Die erste Nacht in Chi Phat verbrachten wir mit einer jungen Familie, die neben dem Homestay auch die in Kambodscha sehr beliebten Bananenchips herstellt und verkauft. Hierzu werden die Bananen in kleine Scheiben geschnitten und frittiert. In einem weiteren Arbeitsgang werden die frittierten Bananenstücke dann in einem Wok mit Zuckerwasser geröstet. Ist wohl so ungesund, wie es sich anhört, aber seeeehr lecker. Zumindest wenn es frisch ist.

Am zweiten Tag ging es dann mit einem Boot in den Dschungel, wo wir eine Nacht in Hängematten verbrachten und am nächsten Tag zu Fuß zurück nach Chi Phat  liefen. Im Dschungel waren dabei nicht so viele Tiere zu hören, wie wir eigentlich erwartet hätten, was ein Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation auf die Wildereraktivitäten zurückführte. Trotzdem konnten wir vom Boot aus eine Affenhorde beobachten, die sich auf den Bäumen entlang schwang, und auf den Dschungelpfaden hinterließen Elefanten ihre Haufen, wobei wir die Verursacher selber leider nicht zu Gesicht bekamen. Dafür konnten wir aber einen Elefanten im Dschungel hören, was durchaus beeindruckend war. Nach dem Lärm zu urteilen, den ein rennender Elefant im Dschungel verursacht, möchte man sich einen Elefanten im Porzellanladen gar nicht erst vorstellen 😉 Leider war dies aber auch schon fast alles an Tierbegegnungen, und vor allem an Vögeln haben wir wenig zu Gesicht bekommen. Nach Aussage Ania´s könne man in Warburg von der Couch aus mehr Vögel beobachten, als hier im Dschungel. Lediglich mit einer weiteren Tiergattung haben wir noch Bekanntschaft gemacht, dem gemeinen Blutegel, der in den knöchelhohen Pflanzen auf vorbeiziehende Beute wartet. Darauf hätten wir zwar auch verzichten können, gehört aber wohl dazu.

Kurz vor Sonnenaufgang auf dem Fluss in Richtung Dschungel

Nach dem Umstieg auf ein Ruderboot.

Leider etwas verschwommene Affen

Im Dschungel

Dschungelhütte der Chi Phat Kommune

Hängematte mit Moskitonetz

Sehr willkommener Mitbewohner im Homestay in Chi Phat

Aus diesem Dschungel ging es dann nach Phnom Penh in den, in diesem Fall nicht ganz so dichten, Dschungel der Großstadt, wo wir mal wieder couchsurfen konnten. Ein junger Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation (in Kambodscha gibt es wohl die größte Konzentration von Nichtregierungsorganisationen weltweit) hat sich ein großes Haus gemietet, das lediglich aus komplett leeren Zimmern besteht und jeder, der ihm eine Couchsurfing Anfrage schickt, kann dort übernachten. Seit Juli hat er so 200 Couchsurfer beherbergt. War alles ein bisschen chaotisch und teilweise mit Obdachlosen-Wohnheim Flair, aber sehr nett. Als wir am zweiten Abend ohne Schlüssel vor der Tür standen, lud uns ein Nachbar, ein Uniprofessor aus Afrika, in sein Haus ein. Ein anderer Nachbar war uns dagegen nicht ganz so symphatisch, da er gerade ein Automatikgewehr in seinem Auto verstaute, als wir vorbeigingen. Wild, wild east 😉

Im Couchsurfing Haus fanden wir sogar ein leeres Zimmer mit eigenem Bad, das, nachdem wir den Boden gewischt hatten, auch halbwegs einladend erschien. Das Problem bestand allerdings darin, dass die Türen über keinen Türknauf und kein Schloss verfügten und das Licht im Bad nicht funktionierte, was bedeutete, dass die Badezimmertür immer etwas offen stehen musste. Eigentlich nicht weiter tragisch, aber als die Hausbesitzerin mit einer weiteren Person am ersten Morgen in unserem Zimmer stand, waren wir doch etwas überrascht. Sie war allerdings mindestens genauso überrascht, 13 Personen in einem Haus anzutreffen, in dem eigentlich nur drei gemeldet waren 😉 Unser Host hielt es für zu schwierig, seiner Vermieterin das Couchsurfing Konzept zu erklären und meinte, dass er Geburtstag habe und wir lediglich für seinen Geburtstag in der Stadt seien.

Am nächsten Tag stellte sich dann heraus, dass der Begleiter der Hausbesitzerin ein Polizist oder ähnliches war, der jetzt von der Vermieterin höhere Schmiergeldzahlungen verlangte, da ja nicht drei, sondern 13 Ausländer in dem Haus wohnten. Habe es nicht so wirklich verstanden, aber anscheinend ist das hier so üblich, wenn eine Wohnung an Ausländer vermietet wird. Die Moral von der Geschichte war allerdings, dass die Vermieterin am Abend des dritten Tages verlangte, dass alle Couchsurfer ausziehen. Schlechtes Timing, da wir am nächsten Morgen sowieso weg wollten 🙂

Neben diesen hautnahen Erfahrungen konnten wir von unserem Gastgeber einiges über die politische Situation Kambodschas erfahren, die um einiges schlechter ist, als die Beschreibungen im Reiseführer erahnen ließen. Zwar erfuhren wir schon an der Grenze, dass ohne etwas Schmiergeld nichts läuft, und wir wussten auch, dass die Polizei ohne größere Schmiergeldzahlungen keinerlei Strafanzeige entgegen nimmt, aber das scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Lehrer sowie Dozenten nehmen Geld für Prüfungen, und somit ist es für Schüler und Studenten besser, arbeiten zu gehen, um das Geld für die „Prüfungsgebühr“ zu sparen, als wirklich den Unterricht zu besuchen. Von der Höhe der gezahlten „Gebühren“ hängen nämlich auch die Noten ab. Ebenso bereichern sich die Regierungsmitglieder der „Volkspartei“ schamlos und übereignen sich Grundstücke, wann immer sie möchten. Ein Minister verfügte beispielsweise, dass das Grundstück einer Nichtregierungsorganisation zukünftig ihm gehöre, so dass er es an Investoren verkaufen kann. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, bestand dann lediglich darin, einen höher gestellten Parteifunktionär davon zu überzeugen, das Grundstück für sich zu beanspruchen und zurück zu geben. Im Falle der Nichtregierungsorganisation war dieses Vorgehen erfolgreich, und der Ministerpräsident konnte über das Einwirken verschiedener ausländischer Botschaften dazu bewegt werden, das Grundstück für sich zu beanspruchen. Da sich dieses System allerdings so auf allen politischen Ebenen wiederfindet und die meisten Betroffenen keine Hilfe ausländischer Botschaften erwarten können, kann man sich vorstellen, vor welchen Problemen die Betroffenen jeweils stehen.

Um das ganze etwas positiver abzuschließen, sei noch auf unseren ersten Friseurbesuch in Asien verwiesen. Während Ania ihre abgeschnittenen Haare mit einem Gummiband zusammengebunden als Souvenir mitbekam, verstand mich der Friseur leider etwas falsch. Statt drei Zentimeter abzuschneiden, hat er nur drei Zentimeter dran gelassen ;-)Fotos des Resultats gibt es allerdings erst beim nächsten Mal.

Couchsurfing Haus in Phnom Penh

Schon viel wohnlicher 😉 Sogar die Katze fühlte sich wohl und mochte uns anscheinend, da sie nicht auf unseren Schlafsack pinkelte, sondern auf Schlafsäcke eine Etage tiefer.

Ehemalige Schule, die in der Zeit Pol Pots zu einem Foltergefängnis wurde und heute eine Gedenkstätte beherbergt.

 

Phnom Penh

Nachtmarkt

 

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