Durch den Osten Tibets

Der Chinese rüstet im Osten Tibets auf. Statt Soldaten, wie in den Rest Tibets, schickt die Regierung allerdings Touristen mit riesigen Kameras, Objektiven und Stativen. Die Zeit der chinesischen, oder waren es japanische ;-), Touristengruppen mit Kompaktkameras wird wohl auch bald in Europa zu Ende gehen. Und da eine Ausrüstung für eine Familie zu wenig wäre, hat hier jeder, von den Großeltern bis zu den Enkeln, seine eigene Ausrüstung in der Hand und schießt auf alles, was sich bewegt oder auch nicht bewegt. Die Touristenmassen halten sich nach der nationalen Ferienwoche allerdings durchaus in Grenzen.

Zwar sind wir hier im Osten Tibets, was sich an den tibetischen Dörfern, den überwiegend tibetischen Menschen und den Höhen, auf denen wir uns in der letzten Woche bewegt haben, unschwer feststellen lässt, allerdings gehört das Gebiet nicht zur Provinz Tibet, sondern zu Sichuan. Daher können wir uns auch hier als Touristen frei bewegen, was in Tibet selber nicht möglich wäre. Dass wir uns hier zumindest teilweise außerhalb der chinesischen Einflusssphäre bewegen, lässt sich daran feststellen, dass kein Hostel unsere Ausweise sehen will und auch kein langes Registrierungsformular ausgefüllt werden muss. Außerdem können hier auch Touristen Motorräder ausleihen, was in China eigentlich verboten ist.

Letzte Woche Sonntag ging es durch die Erdbebenregion von 2008, die teilweise immer noch wie eine Endzeitlandschaft erscheint, in das Gebirge der „vier Mädchen“, wie die vier hohen Gipfel um die 6000 Meter genannt werden. Nach der tibetischen Sage sollen vier Mädchen vor einem bösen Dämon geflohen, auf der Flucht aber erschöpft gestorben sein. Die Dorfbewohner hätten sie mit Schnee bedeckt und zum Dank hätten sich die vier Mädchen in vier schneebedeckte Berge verwandelt. Nach einer Nacht in einem Hostel wanderten wir in ein Tal auf der westlichen Seite der“vier Mädchen“. Die ersten 7 Kilometer mit einem Touristenbus und dann 15 Kilometer durch das enge Tal an einem Fluss entlang, bis sich dieses öffnete und den Blick auf das Grasland freigab, das auf drei Seiten von fast 6000 Meter hohen Bergen umgeben ist. Genau an dieser Stelle stoppten alle chinesischen Touristen, die v. a. mit Führern und Pferden herkamen, wahrscheinlich weil die Fotoausrüstung zu schwer ist, um sie selber zu tragen. Nachdem wir das Objekt einiger Fotos wurden und sogar ein chinesischer Tourist vor mir, dank meiner Mao-Mütze, salutierte, wanderten wir eine halbe Stunde durch das Grasland, was uns absolute Einsamkeit und einen schönen Zeltplatz bescherte.

Halb Hund, halb Yak, halb fauler Panda. Ein Yak-Hund-Panda in unserem Guesthouse

Erster Blick auf die Gipfel der "vier Mädchen", wobei der höchste Gipfel in einer Wolke steckt.

Am nächsten Morgen zeigt sich auch der höchste Gipfel.

Ania betätigt sich als Fotokünstlerin.

Kloster am Eingang zum Tal der "Vier Mädchen"

Tote Bäume im Tal der "vier Mädchen"

Urwaldfeeling

Nach vier Stunden Fußweg öffnet sich das Tal und ab hier trifft man keine Touristen mehr.

Blick auf die Nordwand des höchsten "Mädchens" von unserem Zeltplatz

Sonnenuntergang

Blick nach Norden

Blick nach Süden

 

Nach der überstandenen Nacht

Gletscher am nächsten Morgen

Ein Yak

Was findet man in Rilong in einem Hostel? Natürlich ein Bild der Burg Altena.

Nach einer kalten, aber dank unserer neuen Winterklamotten unbeschadet überstandenen Nacht im Zelt ging es zurück nach Rilong und am nächsten Tag nach Danba. Dort verbrachten wir den Nachmittag mit dem Besuch eines Dorfes (Supo), das über knapp 20 antike Wachtürme verfügt. Warum sich Privatleute ihre Häuser mit Wachtürmen schmückten, konnte uns allerdings niemand erklären.

Am nächsten Morgen ging es dann weiter in das tibetische Dorf Tagong, das von weitem Grasland umgeben ist. Eigentlich sollte dort eine Amerikanerin Yak-Burger verkaufen, aber leider  packte diese gerade zusammen, um über den Winter in die USA zu fliegen, und so mussten wir leider ohne Yak-Burger auskommen. Dafür konnten wir bei schönem Wetter einen 4000 Meter hohen Hügel besteigen, was allerdings nicht so schwer ist, wenn man auf einer Höhe von 3500 Metern startet 🙂 Bei unserem Aufstieg machten allerdings einige Yak-Bullen Anstalten, uns auf die Hörner nehmen zu wollen. Entweder wussten sie von unseren Absichten bezüglich des Yak-Burgers oder sie fühlten sich durch den Hund provoziert, der unbedingt mit uns spazieren gehen wollte, wobei letztere Möglichkeit etwas wahrscheinlicher erscheint. Jedes tibetische Kleinkind hätte uns wohl wegen unserer Fluchtversuche ausgelacht und die Bullen in die Flucht geschlagen, aber wir bevorzugten von nun an einige Umwege an den größten Bullen vorbei. Auf dem Weg wurden wir dann von einer Hirtenfamilie in ihr Zelt auf tibetischen Buttertee eingeladen. Dabei wird zunächst Tee gekocht und dann kommt frische Yak-Milch hinein. Dann wird der Tee in die Tassen gefüllt und es kommt ein großes Stück Butter dazu. Anschließend noch eine Handvoll undefinierbarer Krümel sowie eine Handvoll Mehl.  Die so entstehende Masse kann nach Austrinken des Tees geknetet und mit gedämpftem Brot gegessen werden. War der Buttertee selber noch recht lecker, erinnerten die Krümel allerdings zu sehr an mongolischen Käse 🙂 Nachdem wir unsere Kekse geteilt hatten, um uns zu revanchieren, ging es dann weiter bergauf, von wo wir eine schöne Aussicht auf Tagong und ein über 7500 Meter hohes Gebirgsmassiv hatten.

Tagong ist ein wirklich schönes Dorf mit vielen schönen Häusern und wir haben erfahren, dass die Bewohner zurzeit mit Regierungsunterstützung fast kostenlos neue Häuser bauen können. Wenn man allerdings die Berichte von anderen Reisenden über die Lebensverhältnisse in anderen Teilen Tibets hört, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine Scheinwelt für Touristen errichtet werden soll. In Tagong, das ein wirklich kleines Dorf ist, trafen wir auch 8 voneinander unabhängig reisende Israelis, die alle nach dem Militärdienst, der in Israel 2 bis 6 Jahre dauert, reisen wollten. Dabei wird einem klar, wie grundsätzlich verschieden die Zeit nach der Schule für Israelis ist. Mit 18 geht es zum Militär (Männer mindestens 3 Jahre und Frauen mindestens 2 Jahre), und wer in dieser Zeit etwas verdienen möchte, muss sich als Offizier bewerben, was eine Dienstzeit von 6 Jahren nach sich zieht. Und danach folgt jedes Jahr ein einmonatiges Manövertraining. Seit Tagong reisen wir mit zwei der Israelis und einem Amerikaner zusammen, was die Organisation von Transportmitteln in dieser abgelegenen Bergregion doch sehr erleichtert.

Nach zwei Nächten in Tagong ging es dann nach Litang. Für die knapp 250 Kilometer brauchten wir allerdings geschlagene 11 Stunden, da die Straße praktisch nicht existierte und wir zwei Bergpässe passieren mussten. Unser Fahrer fühlte sich dabei zwar von überholenden Jeeps herausgefordert, aber zumindest bergab fuhr er mit angepasster Geschwindigkeit, was uns bei dem Abhang neben der „Straße“ doch etwas beruhigte. In Litang wollten wir eigentlich mit ein paar anderen Leuten, mit denen wir seit einigen Tagen gemeinsam reisen, Motorräder ausleihen, um die tibetischen Dörfer im Umland zu erkunden, aber plötzlicher Schneefall, der auf 4100 Meter wohl nicht so ungewöhnlich ist, machte uns einen Strich durch die Rechnung. So sitze ich nun im Hostel, trinke aus einer Sylt-Tasse Kaffee und habe Zeit, den Bericht zu schreiben und die Fotos hochzuladen. Das einzige, was dabei tierisch nervt, sind die beiden Hostelbetreiberinnen im Potala Inn in Litang, die ständig versuchen uns zu bescheißen, gerade lärmend neben mir sitzen und einfach unsere Mandarinen futtern. Das Potala Inn ist wirklich die bisher übelste Hostelerfahrung und wir können nur jeden davor warnen, in dieses Hostel zu kommen.

Nachtrag: Da die beiden Hostel-Drachen um 11 Uhr das unglaublich langsame Internet ausschalteten, konnte ich dieses Artikel erst zwei Tage später veröffentlichen.

Aussicht von unserem Hostelfenster in Danba

Tibetisches Haus in Danba

Wachtürme in Dorf Supo (bei Danba)

Ein Bulle auf dem Weg von Danba nach Tagong.

Modern Times: Ein paar Dosen Cola als Gottesopfer

Gebetsfahnen in Tagong

Kloster vor dem Hintergrund des heiligen Berges Yala in Tagong

buntes Hostelzimmer in Tagong

Yak-Bullen mit Sicherheitsabstand

Kinder der Hirtenfamilie, denen unser Besuch nicht so ganz geheuer ist.

Zugegeben, das IPad löst auch noch bei mir Verwunderung aus.

Grasland um Tagong

 

Kloster in Litang

Markt in Tagong

 

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