Durch den hohen Norden und verschiedene Spielarten von Reisedepression

Wie im letzten Artikel angedeutet, hatten wir uns in Laos schon sehr nah an den chinesischen Winter herangetastet. Nicht nur das  eisige Wetter  nachts war ein untrügliches Zeichen, dass wir uns auf dem Weg durch Nordlaos nah an der chinesischen Grenze bewegten, sondern auch die Straßensnacks ließen keinen Zweifel zu. Auf dem Weg nach Luang Namtha entschieden wir uns in Oudomxai für gegrillte Hähnchenbrustspieße, so jedenfalls die erste Vermutung. Komisch zwar, dass alle Stücke gleich geformt sind, aber es wird schon Hähnchenbrust sein. Da die Stücke allerdings zur Hälfte aus Fett bestanden, stellten wir eingehendere anatomische Untersuchungen an, die nur den Schluss zuließen, dass es sich wohl um die Spitzen von Hähnchenhintern handeln musste (das Ding, das Donald immer so gekonnt durch die Gegend schaukelt).

Ein paar Tage nach diesem kulinarischen Höhepunkt ging es dann auf der besten Straße in Nordlaos (durch China und Thailand als Transitstrecke ausgebaut) von Luang Namtha zum Mekong und dort über die Grenze nach Thailand. Aus Bequemlichkeitsgründen entschieden wir uns gegen einen Bus und für einen Minivan, was wir doch bereuen sollten, da Nordlaoten, die ihren Führerschein, falls überhaupt vorhanden, mit einem Tuk Tuk  auf einem Feldweg gemacht haben, nicht mit einem gut motorisierten Minivan auf einer neuen Straße unterwegs sein sollten. Unser Fahrer nutzte grundsätzlich zwei Fahrspuren und fand es besonders hilfreich, vor nicht einsehbaren Kurven komplett auf die linke Spur zu wechseln (gehupt wurde dabei auch nicht, da dies aus Tierschutzgründen verboten ist). Wir hatten dabei das Vergnügen, vorne neben dem Fahrer zu sitzen, um alles aus bester Perspektive mitzuerleben. Meinen ersten freundlichen Hinweis, er solle doch bitte in nicht einsehbaren Kurven auf der rechten Spur bleiben, fand er relativ lustig, was uns wiederum dazu übergehen ließ, in eher europäische Verhaltensmuster der Konfliktlösung zu verfallen. Er muss wohl gespürt haben, dass wir kurz davor waren, ihn im GTA-Stil aus dem Auto zu treten und selber weiter zu fahren, denn er stellte seine Fahrweise um und schnitt die Kurven nur noch halb. Manchmal funktionieren also auch nicht gesichtswahrende Konfliktlösungen 😉 Die Tatsache, dass es noch keine Brücke über den Mekong gibt, hat uns wohl vor einer Kollision gerettet, da sich der Verkehr noch ziemlich in Grenzen hält.

Die folgende Grenzüberquerung mit einem kleinen Boot über den Mekong nach Thailand war die bisher entspannteste auf unserer Reise. Die Grenzer begrüßten und verabschiedeten sich sogar freundlich, was für eine Welt. Auf der thailändischen Seite fuhren die Autos zwar plötzlich auf der falschen Straßenseite, aber auf wundersame Weise waren die Wlan Verbindungen schnell und zuverlässig. Was die sonstigen Unterschiede zwischen Thailand und Laos angeht, gilt die alte südostasiatische Weisheit: „same same, but different“. Schön, aber irgendwie wird das einfach Reisen in Südostasien auch langweilig, da die Reiseorganisation keine größeren Anforderungen stellt, und wir spüren doch erste Anzeichen von Reisemüdigkeit.

Mit der Ankunft in Thailand nach fast sechs Monaten ist auch die erste Hälfte unserer Reise vorbei und wir haben sozusagen die Halbzeitpause erreicht, die wir an den thailändischen Stränden zu verbringen gedenken. Das Erreichen der Halbzeitpause bedeutet allerdings auch, dass wir uns Gedanken über die zweite Halbzeit machen müssen, und hier fangen die Schwierigkeiten erst an. Ich weiß nicht, wie viele Gehirnzellen wir in den letzten Tagen überanstrengt haben und wie oft wir zwischen der Euphorie, scheinbare Lösungen gefunden zu haben, und einer tiefen Planungsdepressionen hin und her geschwankt sind. Gut, ich habe mich gerade über die Leichtigkeit des Reisens in Südostasien beschwert, aber so schwer muss es ja auch nicht gleich werden.

Hier ein paar kleine Ausschnitte unserer Probleme, die wir in den letzten Tagen hin und her gewälzt haben:

  • Die Pakistanis haben irgendwann im Jahr 2010 beschlossen, dass es eine gute Idee sei, Visa nur noch in den Heimatländern der Antragsteller auszustellen. Somit müssten wir die Pässe nach Deutschland schicken und uns dann zurück schicken lassen. Allerdings scheint der Postversand von Pässen zumindest in Indien illegal und irgendwas sagt mir, dass die Deutschen das auch nicht so toll finden, habe aber noch keinen Gesetzestext gefunden.
  • Für die pakistanische Grenzprovinz zum Iran besteht eine offizielle Reisewarnung und daher ist dieser Weg versperrt. Bleibt der kleine Umweg von Pakistan über China, Kirgisistan, Usbekistan und Turkmensitan in den Iran.
  • Der Grenzübergang zwischen Pakistan und China liegt allerdings auf einem Gebirgspass und öffnet daher erst zum 1. Mai eines jeden Jahres.
  • Die Grenzen in den zentralasiatischen Republiken (Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan) sind zwar offen, allerdings nur so lange, wie man keinen Grund gefunden hat, sie mal wieder kurzfristig zu schließen.
  • Möchte man mit dem Zug von Kirgisistan nach Usbekistan fahren, braucht man ein Transitvisum für Kasachstan, da die Bahnstrecke zu Sowjetzeiten gebaut wurde, als alle noch Brüder waren. Falls man in Südkirgisistan unterwegs ist, muss man aufpassen, nicht zufällig durch eine usbekistische Enklave zu fahren, in welcher man dann visatechnisch hängen bleiben würde. Aber Touristen können allerdings gerne ein Offroadfahrzeug mieten, um die Enklaven zu umfahren 🙂 Welcher Scherzbold hat bitteschön diese Staaten erfunden? Oder durfte sich jeder Möchtegerndiktator Anfang der 90er Jahre in einem Sandkastenmodell der Sowjetunion mit einem Förmchen einen eigenen Staat herausschneiden?
  • Turkmenistan traut Touristen nicht so ganz über den Weg, und daher muss man mit einem Touristenvisum einen offiziellen Begleiter organisieren und eine Tour für knapp 200$ pro Tag buchen. Eine Visumbearbeitung benötigt über drei Wochen. Wir haben ja auch sonst nichts zu tun.
  • Der Iran möchte im Visumsantrag Passfotos, die vor einem weißen Hintergrund aufgenommen wurden, die Pakistanis bestehen auf Fotos vor einem hellblauen Hintergrund. Aaargh.
  • Bevor man ein iranisches Visum beantragen kann, benötigt man eine vom iranischen Außenministerium ausgestellte Referenznummer, was mal wiederum Kosten von mindestens 30 Euro pro Person nach sich zieht.
  • Die Usbeken stellen Visa für Polen nur mit einem offiziellen Einladunsgschreiben aus (ca. 30 Euro). Deutsche bekommen manchmal auch so ein Visum, aber nicht immer. Stellt man vor der Botschaft fest, dass man ein Einladungsschreiben benötigt, muss man auf dieses zwei Wochen warten.
  • und so weiter und so weiter …

Mal schauen, wo wir am Ende hängen bleiben und einen überteuerten last minute Flug buchen müssen 🙁

Um das ganze etwas positiver abzuschließen und meine Planungsdepression nicht noch weiter zu vertiefen, hier die Geschichte von der Veröffentlichung unseres letzten Artikels in Luang Namtha, damit ihr seht, welche Anstrengungen wir aufwenden, um euch mit den neusten Reisegeschichten zu versorgen:

Es ist halb neun Abends, wir liegen nach einem anstrengenden Tag – eine Stunde im Boot und acht Stunden auf der Straße – in Luang Namtha in unserem Bungalow und mobilisieren unsere letzten Kräfte, um die überraschenderweise funktionierende Wlan Verbindung für die Veröffentlichung unseres Artikels zu nutzen, als plötzlich ein stockbetrunkener Bungalownachbar hereingetorkelt kommt, sich verblüfft umsieht und wieder heraustorkelt. Fünf Minuten später steht er dann wieder vor unserer Tür, klopft diesmal sogar an und steckt seinen Kopf und eine Flasche Whisky Lao ins unser Zimmer und versucht uns fünf Minuten mit dem Mantra „Beer Lao? … Whisky Lao?” dazu zu überreden, mit ihm noch einen zu trinken, worauf wir gerade überhaupt keine Lust haben, da wir doch unbedingt mal wieder einen Artikel veröffentlichen wollen. Wohl als Strafe für die ausgeschlagene Einladung verabschiedet sich das Internet kurze Zeit später und wir können unseren Artikel doch nicht abschließen. Am nächsten Abend sitzen wir nach einem Tag im Kajak mit dem Laptop auf dem Balkon, als unser Nachbar im nüchternen Zustand zurückkommt. Unser Anblick ist ihm etwas peinlich und er grüßt etwas schüchtern. Fünf Minuten später steht er dann aber wieder mit einer Flasche Whisky vor uns und wir haben das Gefühl, diesmal nicht nein sagen zu können (alles andere wäre für ihn nicht wirklich gesichtswahrend), obwohl der Blogartikel immer noch nicht veröffentlicht ist. Man möchte ja schließlich nicht unhöflich sein. Der Plan sah eigentlich vor, uns nach einem Gläschen zu verabschieden, welch eine gelungene Selbsttäuschung, was allerdings nicht funktionierte, da unser Nachbar sogleich einen Freund einlud, der in den 80er Jahren in der DDR studierte und daher gut Deutsch spricht. Dieser stand einige Minuten später mit einer Tüte voller Fleischspieße vor der Tür, und so wurde es ein ganz netter Whisky Lao Abend. Der Whisky ist dabei nichts anderes als klarer Lao Schnaps, der mit angeblich potenzsteigernden Kräutern verfeinert wird und dem man seine 40 Umdrehungen nicht wirklich anmerkt. Trotz der späten Stunde und dem angeheiterten Zustand konnte uns allerdings nichts davon abhalten, den Artikel noch am gleichen Abend zu veröffentlichen 😉

Blick von unserem Bungalow in Luang Namtha

Pause während des Kajakttrips in Luang Namtha

Ein letzter Blick in Richtung der laotischen Seite des Mokong

Hundekleidung ist in Thailand extrem in.

Chiang Mai

Chiang Mai

Geldopfer in einem Tempel in Chiang Mai

Thailändische Interpretation eines Tuk Tuks

Erster Besuch beim Muay Thai (Thai Boxen), bei dem es ziemlich zur Sache geht. Am besten war allerdings der Spezialkampf. Dabei prügeln im Ring sieben Boxer mit verbundenen Augen und ein Schiedsrichter aufeinander ein 😉

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