Babur, ein Nachkomme Dschingis Khans, der mit seinen Soldaten vom heutigen Usbekistan auszog und das Mogulreich auf dem indischen Subkontinent gründete (einem seiner Nachfolger ist das Taj Mahal zu verdanken), soll sein Leben lang die Melonen seiner Heimat vermisst haben. Tatsächlich sind die Melonen hier einfach unbeschreiblich und wir haben definitiv ein Suchtproblem. Nachdem in den ersten Tagen noch die kleinen Portionen ausreichten, die man zu fast jeder Mahlzeit gereicht bekommt, haben wir uns mittlerweile auf eine ganze Wassermelone pro Tag gesteigert. Vor ein paar Tagen gab es sogar einen Melonensalat, bestehend aus Wasser- und Honigmelone. Angesichts der Tatsache, dass es hier eine schier unerschöpfliche Melonenvielfalt gibt, ist nicht absehbar, wo das noch hinführen soll … Zurück in Deutschland werden wir mit Sicherheit in eine Melonenkrise stürzen.
In einer Krise ganz anderer Art war ein Usbeke, der uns am Bahnhof in Samarkand abfing und uns mit Vehemenz über die ökonomische Situation in Budapest ausfragte. Anscheinend hatte er sich in den Kopf gesetzt, der aussichtslosen ökonomischen Situation in Usbekistan durch eine Emigration nach Budapest zu entkommen. Da er „nur“ Russisch, Usbekisch und Tadjikisch sprach, war eine Verständigung nicht so leicht. Ob er in Ungarn 1000$ im Monat verdienen könne, ob es genug Arbeitsplätze gebe, wie teuer die Mieten seien, etc. Von unserem Vorschlag, doch eher nach Polen auszuwandern, da dort die ökonomische Situation wesentlich besser sei als in Ungarn, wollte er nichts wissen. Polen und Ukraine seien ganz schlecht. Und dann fing er wieder an von Budapest zu reden und wollte von uns wissen, ob es dort Zigeuner gebe und ob diese lange Fingernägel hätten. Oder so was ähnliches 🙂
Samarkand ist über 2000 Jahre alt. Die Stadt wurde im 13. Jahrhundert von Dschingis Khan dem Erdboden gleich gemacht und im 14. Jahrhundert als Hauptstadt Timurs wieder aufgebaut. Da Usbekistan Timur zu seinem Nationalhelden auserkoren hat und Timur sowie seine gebildeteren Nachfolger unglaubliche Gebäude hinterlassen haben, wird die Stadt besonders herausgeputzt. Die Architektur, die so wohl nur in einem Schmelzpunkt unterschiedlicher kultureller Einflüsse entstehen konnte, ist einfach atemberaubend und unvergleichlich. Da Usbekistans aktueller Herrscher Karimov sich wohl den Wahlspruch „Teile und Herrsche“ zu eigen gemacht hat, überlässt er den ortsansässigen Oberen einige Knochen. Die Eintrittskarten für die Sehenswürdigkeiten werden handschriftlich mit Preisen versehen, was einen gewissen Ermessensspielraum lässt. Gerne werden die Tickets auch wieder eingesammelt und erneut verkauft. Eine Gruppe Polizisten lungert vor einigen Minaretten herum, um Touristen den eigentlich verbotenen Zutritt zu diesen Minaretten zu gewähren.
„Sir, want to climb forbidden Minarett. Only 5 $.“
„No, thank you.“
„Why not? You can have discount, only 3 $ for you! Where are you from?“
„Germany“
„Oh, Germania. Guten Tag. Deutschland ,Fußball kaputt. Klettern Minarett? Nur 2 $!“
Die Seidenstraße verlief auf verschiedenen Pfaden von Istanbul nach Xian in China, wobei die Routen in den Städten Samarkand und Bukhara im heutigen Usbekistan wieder zusammenliefen. Die Seidenstraße verlor zwar mit dem aufkommenden Seehandel im späten 15. Jahrhundert enorm an Bedeutung, aber vor allem Usbekistan gelingt es mit dem Mythos Seidenstraße eine größere Anzahl Touristen anzulocken. Wenn die usbekische Bürokratie und Wirtschaftskontrolle nicht so starr wären, würden wohl noch viel mehr Touristen den Weg hierher finden.
Für uns ging es per Zug weiter nach Bukhara, das im Mittelalter ein Zentrum von Wissenschaft und Religion war. Selbst eine große jüdische Gemeinde war hier angesiedelt. Ähnlich wie die Deutschen in Kirgisistan, haben die Juden allerdings die Chance der 90er Jahre genutzt und sind nach Israel ausgewandert. Heute weisen vor allem jüdische Friedhöfe und Synagogen auf diesen Teil der Geschichte hin. Samarkand und Bukhara unterscheiden sich in einem weiteren Punkt wesentlich vom restlichen Usbekistan. Die Menschen sprechen hier nämlich als Muttersprache Tadjikisch, eine Sprache, die eng mit dem Persischen verwandt ist. Usbekisch ist dagegen genau wie Kirgisisch eine Turksprache und sehr eng mit dem Türkischen verwandt. In der Familie wird somit meist Tadjikisch, auf dem Amt nur Usbekisch und in der Schule zumeist Russisch gesprochen. Die Menschen hier wachsen also mit drei Sprachen unterschiedlicher Sprachfamilien auf, was schon ziemlich beeindruckend ist. Die Kinder nutzen ihr Sprachtalent allerdings auch, um die Touristen auf französisch, deutsch, englisch, spanisch oder italienisch um Münzen anzubetteln, die angeblich für ihre Münzsammlung bestimmt sind. Nach dem Finale der Europameisterschaft sprangen einige Kinder um eine spanische Reisegruppe herum und feierten, in der Hoffnung auf Euromünzen, lautstark das Vier zu Null. Ein Kind, das uns ansprach, war nicht enttäuscht, als wir keine Münzen hatten. Es lief uns stattdessen ein paar Minuten penetrant hinterher: „No problem Sir. 1000 Som also okay. No problem Sir. Just give me 1000 som. Okay? No problem Sir …“ Aaargh! Außerhalb der Haupttouristenstraße möchten die Kinder allerdings nichts anderes als Fotos machen und sind unglaublich nett, was übrigens für die meisten Usbeken gilt.
Nerviger als die bettelnden Kinder war allerdings das Ehepaar, das das B&B leitete, in dem wir die ersten drei Nächte in Bukhara verbrachten, angeblich eines der besten Gästehäuser in Usbekistan. Am Nachmittag des zweiten Tages flog, gerade als ich im Hof an der Küchentür vorbeilief, das Handy des Ehemannes aus derselbigen und zerschellte an der Wand. Es folgte ein ohrenbetäubendes Wutgeschrei der Frau, das erst endete, als der Ehemann verschwunden war. Wir saßen in unserem Schlafsaal, malten uns aus, worum es wohl gerade gehen mochte und verfluchten die Tatsache, dass sie ausgerechnet vor dem Essen herausfinden musste, dass der Kerl fremd ging. Dabei sollte es doch heute gefüllte Paprika geben, und jetzt wurde der Koch vor die Tür gesetzt. Aber erst einmal abwarten und Gerüchte in die Welt setzen. Hatte der Typ nicht erst gestern alle Gäste um fünf Dollar für die schwangere Nachbarin angeschnorrt? Vielleicht hätte ihm jemand lieber das Geld geben sollen, dann wäre zumindest das Abendessen gesichert. Mit einiger Verspätung gab es dann allerdings doch was zu essen und danach gingen wir mit einigen anderen Gästen in einen Biergarten, um die Gerüchte etwas weiter zu elaborieren. Am nächsten Abend, wir freuten uns gerade schon wieder auf das Abendessen, wurden alle acht Gäste abrupt vor die Tür gesetzt. Sie müsse zu einer Beerdigung in ihr Dorf und daher müssten wir gehen. Eigentlich wollte ja ihr Mann kommen, aber der könne leider nicht. Mhh, Beerdigung. So wird das hier also gehandhabt 🙂