In großen Schritten nach Hause

Das Ende unserer kleinen „Weltreise“ durch die alte Welt kam schlussendlich doch recht schnell, obwohl wir es in den letzten Wochen kaum noch abwarten konnten, nach Hause zu kommen. Zwar hätten wir durchaus noch die eine oder andere Woche am Strand verbringen können, aber für mehrjährige Weltreisen eignen wir uns mit Sicherheit nicht 🙂 Was bleibt von den letzten Tagen unserer Reise noch zu erzählen? Da es zum Ende recht schnell ging, verbrachten wir viel Zeit in den unterschiedlichsten Transportmitteln, die alle auf ihre Art und Weise zu überraschen vermochten. Von Diyarbakir ging es mit dem Nachtbus nach Istanbul. Für einen Fahrpreis von 50 Euro bekam jeder einen eigenen kleinen Fernseher im Sitz und es gab sogar kostenloses Wi-Fi im Bus. Um an dieser Stelle ein bisschen vorzugreifen, sei auf das Wi-Fi verwiesen, das die Deutsche Bahn anpreist. Im Zug von München nach Dortmund mussten wir herausfinden, dass dieses  erst ab Frankfurt funktioniert und knapp 5 Euro pro Stunde verlangt werden. Der türkische Bus hatte allerdings trotz funktionierendem Wi-Fi auch seine Tücken. Ein Restaurant zum Abendessen wurde erst kurz vor 21 Uhr angesteuert und komischerweise hielten alle Busfahrer zur gleichen Zeit, ja ja Ramadan. Mit der Nachtruhe war es dann auch nicht so weit her, da um 2 Uhr schon wieder die Lichter angingen, Ramadan Frühstück :-). Am nächsten Morgen in Istanbul angekommen, stiegen wir auf der „asiatischen“ Seite aus, um die langwierige Überfahrt über die Brücke zu vermeiden und das Panorama auf Istanbul von der Fähre aus zu genießen.

 

Zwei Tage später ging es dann per „Direktzug“ von Istanbul nach Bukarest in Rumänien. Und ich übertreibe nicht, wenn ich feststelle, dass es sich um den weltweit undirektesten Direktzug handelt, der eigentlich einen Eintrag ins Buch der Rekorde verdienen würde. Die Strecke von gut 600 Kilometern legten wir in schlappen 21 Stunden zurück und mussten dabei lediglich vier Mal umsteigen. Nun muss man den Türken und Bulgaren zugute halten, dass sie gerade die Strecke renovieren und in Istanbul eine unterirdische Zugverbindung zwischen „europäischer“ und „asiatischer“ Seite entsteht, aber trotzdem. Vom Istanbuler Hauptbahnhof ging es zunächst per Bus zur bulgarischen Grenze, die wir um 1.30 nachts erreichten. Mit uns im Bus waren lediglich einige junge Leute Anfang 20, alle Älteren waren schlauer als wir und nutzen das Flugzeug. Die Grenzformalitäten waren bereits nach einer halben Stunde erledigt, wir durften aber trotzdem noch zwei Stunden am Bahnhof warten, bis wir um vier in den Zug steigen durften, der uns über die Grenze brachte. Gerade in diesem eingeschlafen, wurden wir zunächst von den bulgarischen Grenzbeamten geweckt. Als wir dann wieder eingeschlafen waren, kam die Ticketkontrolle. Aaargh. Kurz darauf war es sieben Uhr morgens und wir wurden wieder aufgeweckt, da wir in einen Bus umsteigen mussten. Nach einer Stunde im Bus ging es dann wieder zu einem Bahnhof, wo die Reste des eigentlichen Direktzuges für uns bereitstanden. Dieser Zug bestand aus genau drei Waggons, einem türkischen Liegewagen, einem rumänischen Schlafwagen und einem bulgarischen Wagen der ersten  Klasse, die alle komplett, und zwar wirklich komplett, leer waren. Da uns allen in der Türkei nur normale zweite Klasse Tickets ohne Bettreservierung verkauft wurden, passten wir und die 15 anderen Reisenden, die mit uns aus Istanbul kamen, zunächst nirgendwo rein. Nach kurzer Beratung der Schaffner durften wir dann in die bulgarische erste Klasse einsteigen. Wahrhaftig byzantinische Verhältnisse. 🙂 Das Problem war nur, dass die Waggons ohne Lokomotive rumstanden und mit einer solchen erst in über einer Stunde zu rechnen sei. Wir machten uns also auf die Suche nach einem Geldautomaten, da uns in Bulgarien niemand etwas für unsere Dollarnoten verkaufen wollte und wir es irgendwie verpasst hatten, Frühstück mitzunehmen. Der Geldautomat gab uns zwar kein Geld, hat dieses aber, wie ich gerade feststellen durfte, trotzdem von unserem Konto abgebucht. Das ist uns bisher nur in Indien passiert, naja und jetzt halt in Bulgarien. Wenn das beschissen werden am Geldautomaten ein Aufnahmekriterium für die EU wäre, müsste also auch bald Indien aufgenommen werden 🙂 Zum Glück gab es noch  eine rumänische Reisende, die von ihrer bulgarischen Schwiegermutter mit reichlich Verpflegung ausgestattet worden war. Wir bekamen was zu essen und die Studentin konnte bei uns ihren Frust darüber auslassen, dass ihr am Bahnhof niemand ein Ticket nach Bukarest verkaufen wollte. Zugtickets für internationale Verbindungen würden nicht am Bahnhof, sondern in einem internationalen Verkaufsbüro im Stadtzentrum verkauft, das am Wochenende allerdings geschlossen habe.

Nachdem wir eineinhalb Stunden im internationalen Direktzug (Türkei – Rumänien), dem der Triebwagen abhanden gekommen war, in einem bulgarischen Kaff, in dem keine Tickets für internationale Züge verkauft wurden, herumstanden, fand sich doch noch eine Lokomotive. Kurz vor der rumänischen Grenze mussten wir allerdings aus unserem bulgarischen Erste Klasse Wagen aussteigen, da dieser abgekoppelt werden sollte. Die brummige bulgarische Schaffnerin wollte, dass wir auf einen anderen Zug warten, der türkische Schaffner bot uns an, einfach in den türkischen Liegewagen umzusteigen. Eingeschüchtert durch die bbS (brummige bulgarische Schaffnerin) trauten sich die ganzen anderen Backpacker nicht, in den Liegewagen einzusteigen, und so hatten Ania und ich für die nächsten vier Stunden einen ganzen Waggon für uns alleine. Schlussendlich wurden beide Züge aber aneinander gekoppelt. Der türkische Schaffner schärfte uns ein, dem zusteigenden rumänischen Kollegen kein Geld zu geben. Rumänische Schaffner scheinen einen gewissen Ruf zu genießen, Zusatzgebühren zu erfinden und das Geld in die eigenen Hosentaschen verschwinden zu lassen. Unter Protektion unseres türkischen Schaffners wurden wir aber nicht einmal nach einer „Nachzahlung“ gefragt, ganz im Gegensatz zu den anderen Backpackern aus dem „anderen Zug“, die wir in Bukarest wiedertrafen. Nach Diskussion mit dem Schaffner hatten sie sich darauf geeinigt, dass dieser mit offener Hand herumgehe und jeder etwas, nach eigenem Ermessen, hineinlegen möge 🙂

 

Drei Länder, drei Waggons, drei verschiedene Triebwagen

Bukarest selber war dann eine erstaunlich nette, gemütliche Stadt mit einer Altstadt voller Cafés, Bars und Restaurants. Dazu kommt noch das größte Gebäude Europas, das in den 80er Jahren durch Ceausescu errichtete Haus des Volkes und eine romanische Sprache mitten in Osteuropa. Nach Rumänen und Bulgarien werden wir sicherlich noch mal zurück kommen.

Alt und einst modern gehen in Bukarest nahtlos ineinander über.

Palast des Volkes in Bukarest

Am nächsten Tag ging es dann mit dem Nachtzug nach Budapest, wo wir zwei Nächte verbrachten, bevor es in der Ersten Klasse (im Sonderangebot günstiger als die zweite Klasse) über München nach Dortmund ging. Während es die österreichische Bahn auf die Minute pünktlich von Budapest nach München schaffte, war die Deutsche Bahn, natürlich, 40 Minuten zu spät in Dortmund. Unsere Rückkehr nach Deutschland feierten wir mit Schweinsbraten, Schweinswürsten und Knödeln in einer bayerischen Traditionsgaststätte mit chinesischem Koch und vorwiegend italienischen Kellnern. Wir erwischten natürlich die unfreundlichste Kellnerin im ganzen Laden, die, wie man sich schon vorstellen kann, aus Bayern kam.  Auch bei den Österreichern am Nachbartisch machte sie sich nicht sonderlich beliebt, als sie diese fragte, ob sie eine englische Speisekarte möchten.

Budapest

Wow, fast wie fliegen 🙂

Wow, so schnell und trotzdem 40 Minuten zu spät

Bei dem großen Raumangebot kann eine Verspätung allerdings verschmerzt werden

Schweinsbraten und Schweinswürste in München

Endlich, zurück in Deutschland ... oder besser gesagt Bayern

Jetzt sind wir also wieder zu Hause und das ist auch gut so. Neben dem Vorteil, Familie und Freunden näher zu sein und der Aussicht, bald produktiver Teil der Gesellschaft werden zu können, sprechen vier Gründe für die Rückkehr nach Deutschland:

  • nur in Deutschland lernt man gutes Wetter zu schätzen, da es so wenig davon gibt
  • in Deutschland gibt es dank der Immigranten Essen aus der ganzen Welt, meist sogar ganz ohne Reisestuhlgang
  • in Deutschland bekommt man fast nie Schaf vorgesetzt und vor allem gilt „dick-Hintern Schaf” nicht als Spezialität
  • in Deutschland ist die Zahl der Toiletten in Restaurants und Kneipen gesetzlich festgeschrieben (aufgrund des ausbleibenden Reisestuhls nicht so wichtig, aber trotzdem ganz nett)

Was bleibt noch zu sagen? Ein Reisebericht sollte wohl, so wie jeder gute Cartoon seit den Simpsons und South Park, mit einem moralischen Fazit enden. Ließe sich ein solches finden, könnte das letzte Jahr potenziellen zukünftigen Arbeitgebern sogar als Bildungsreise verkauft werden. Was also haben wir gelernt? Wir haben zum Beispiel gelernt, dass jeder vor seinem Nachbarn warnt, der unglaublich gefährlich sei. Die Deutschen haben Angst vor Polen bzw. um ihr Auto. Den Polen ist Weißrussland nicht so ganz geheuer und in Weißrussland haben wir ein Selbstverteidigungsspray geschenkt bekommen, da man bei den Russen ja nie so genau wisse. Und so weiter und so weiter. Im Endeffekt haben wir aber überall nur nette und freundliche Menschen getroffen. Entweder verstecken sich die ganzen schlechten Menschen unglaublich gut oder es gibt gar nicht so viele davon. Reisephilosophisch (ja, so etwas gibt es; habe letztens sogar eine philosophische Dissertation über Couchsurfing gesehen) haben wir gelernt, dass man niemals zweimal den gleichen Ort besuchen sollte, da ansonsten die Wahrscheinlichkeit hoch ist, enttäuscht zu werden. Andererseits, ich habe noch gar nicht aufgezählt, an welchen Orten, Plätzen und Ländern wir uns versprochen haben, nochmal zurückzukommen … 🙂  

Dieser Beitrag wurde unter 19. Türkei, 20. Ende veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.