Das Tor zur Hölle – Turkmenistan

Das Tor zur Hölle liegt, so wie es schon Generationen amerikanischer Geheimdienstagenten vermuteten, natürlich in der Sowjetunion bzw. in der ehemaligen sowjetischen Provinz, die sich heute Turkmenistan nennt. Aufgestoßen wurde dieses Tor nicht durch Stalin (wie wir seit South Park wissen, versuchte erst Saddam mit dem Teufel zu paktieren), sondern durch sowjetische Ingenieure, die in der Wüste nach Gas bohrten. Manchen Quellen zufolge bereits in den 50er, anderen zufolge in den 70er Jahren stießen diese unvorbereitet auf einen Hohlraum, welcher kolabierte. Da aus dem entstandenen Krater große Mengen Gas austraten, das die Bewohner eines nahegelegenen Dorfes bedrohte, entschloss man sich, das Gas einfach abzufackeln. Problematisch nur, dass die angeschlossene „Gaskartusche” einfach ein bisschen größer dimensioniert ist als angenommen. Seit mindestens 30, vielleicht aber auch schon seit 60 Jahren, heizt dieser Gaskrater somit kostenlos die Wüste. Eine passende Sehenswürdigkeit in einem Land, in dem das Heizen für alle Einwohner kostenlos ist. Das nahegelegene Dorf Darvaza, das zunächst von den austretenden Gasen gefährdet war, hat diese Katastrophe zwar überlebt, wurde Anfang des neuen Jahrtausends allerdings dem Erdboden gleich gemacht, da es dem damaligen Präsidenten, der eine neu erbaute Straße besichtigte, nicht gefiel.

Darvaza lag mitten in der Wüste auf halber Strecke zwischen Konye-Urgench an der usbekischen Grenze und der turkmenischen Hauptstadt Ashgabat an der Grenze zum Iran. Daher wohnen auch nach Zerstörung des Dorfes noch ein paar Menschen entlang der Straße, die in unscheinbaren Hütten die vorbeikommenden Fahrzeuge mit Brennstoff und die Fahrer mit Tee und Schaschlik versorgen. Einer dieser Wüstenbewohner verfügt zum Glück über einen Jeep. Er brachte uns zum Krater und war am nächsten Morgen sogar zum vereinbarten Zeitpunkt  wieder zurück, um uns abzuholen 🙂

Zeltplatz in sicherer Entfernung vom Gaskrater

Überreste einer alten Gasbohrung

Warten auf den Sonnenuntergang

Nach Sonnenuntergang kommen die Wüstenspinnen aus ihren Erdlöchern und aus dem Gaskrater springt ...

... dieses lustige Wesen.

Heimliches Foto eines wichtigen Infrastrukturprojekts in der Karakum Wüste. Im Falle eines amerikanischen Angriffs würde diese wichtige Verkehrsader sicherlich zuerst zerstört.

Auf dem Weg von Darvaza nach Ashgabat in der Karkum Wüste.

Man könnte sich jetzt fragen, was es über ein Land aussagt, wenn die Hauptsehenswürdigkeit ein brennendes Loch ist. Andererseits könnte man sich auch fragen, was es über den Autor aussagt, der so ignorant zu sein scheint, ein brennendes Loch als größte Attraktion Turkmenistans zu beschreiben. Nun gut, es gibt auch noch andere Sehenswürdigkeiten. Von Nukus kommend erreichten wir die usbekisch-turkmenische Grenze pünktlich zur Öffnung um 9 Uhr, wo ein einsamer Soldat versuchte, die große Zahl bunt gekleideter, mit Plastikschüsseln, Bier und sogar Teppichen beladener Frauen zu einer Warteschlange zu formen. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Einer für uns positiven, insgesamt aber fragwürdigen Tradition folgend, die einen in allen ehemaligen sowjetischen Ländern erwartet, wurden wir an den Schlangen vorbeigeleitet und bekamen eine Vorzugsbehandlung. Wir passierten die Grenze in weniger als einer Stunde; hätten wir an allen Schlangen anstehen müssen, wären es wohl vier Stunden geworden. Am turkmenischen Grenzposten begrüßte uns ein junger Soldat, der kaum älter als 16 aussah und seine Freude über unseren Anblick kaum verhehlen konnte. Er sprang die ganze Zeit um uns herum und trieb alle zum schneller arbeiten an 🙂 Viele Touristen bekommt dieser Grenzübergang nicht zu sehen, da die turkmenische Botschaft in Usbekistan die Grenze für geschlossen hält und Touristen einen Grenzübertritt verbietet. Wir hatten unser Visum zum Glück in Pakistan beantragt und unterlagen keinen Einschränkungen.

Auf turkmenischer Seite der Grenze  liegt die historische Stadt Konye-Urgench, die im 13. Jahrhundert von Dschingis Khan (ja, der schon wieder) geschliffen wurde. Im Gegensatz zu den Städten auf usbekischer Seite, die in den folgenden Jahrhunderten neu aufblühten, ist das alte Konye-Urgench eine Brachfläche mit wenigen erhaltenen Monumenten, die zwar beeindrucken, aber nicht mit dem Charme der usbekischen Städte mithalten können. Das Ruinenfeld zieht trotzdem Pilger aus ganz Turkmenistan an, wobei die Pilger schon wieder eine Attraktion an sich sind. Die Pilger wandern entlang der Ruinen und der neu errichteten Moscheen und halten an den einzelnen Monumenten zum kurzen Gebet. Sie umkreisen ein altes Minarett gegen den Uhrzeigersinn und berühren dieses mit der Handfläche. Ein kleiner Erdhügel, auf dem die Einwohner die letzten Gefechte gegen die Mongolen ausfochten, soll eine besondere Wirkung haben. Die Menschen lassen sich in einen Umhang schnüren und rollen den Berg hinab. Dieses Ritual soll für alles Mögliche gut sein, einen Ehepartner finden, schwanger werden, Krankheiten heilen. Damit auch ja nichts anbrennt, bringen die Menschen noch kleine Kinderkrippen und Babykleidung mit auf den Berg. Mit uns hat auch eine große Gruppe körperlich behinderter Menschen den Berg erklommen und wir müssen als Fotomodell herhalten, bis zumindest alle Jüngeren ein Foto mit uns gemacht hatten.

Turabeg Khanym Komplex in Konye-Urgench

Gutlug Timur Minarett aus dem frühen 14. Jahrhundert

Miniatur-Babywiegen auf de Kyrk Molla Berg

II-Arslan Mausoleum

Von Konye-Urgench fuhren wir mit einem Zwischenstopp in Darvaza durch die Karakum Wüste in die turkmenische Hauptstadt Ashgabat. Vor allem in Ashgabat wird deutlich, warum Turkmenistan auch als Nordkorea Zentralasiens bezeichnet wird, auch wenn dieser Vergleich etwas hinkt. Oppositionelle müssen jedenfalls nicht bis nach Darvaza fahren, um das Tor zur Hölle zu erblicken. Als Turkmenistan 1991 unerwartet aus der Sowjetunion herausgelöst und selbstständig wurde, hat der Generalsekretär der kommunistischen Partei, Saaparmurat Niyazov, seine Partei einfach in Demokratische Partei umbenannt und dann alle neu aufkommenden Parteien verboten (Dialektik auf höchstem Niveau :-)) In den nächsten Jahren begann Niyazov, der sich selber als Sonnenkaiser sah, Ashgabat von Grund auf in Marmor neu zu erbauen und mit  goldenen Statuen von sich selber zu übersäen. Eine Statue richtete sich sogar ständig in Richtung Sonne aus. Der neue Teil Ashgabats wirkt heute wie eine ernst gemeinte Kopie Las Vegas´, allerdings mit mehr echtem Marmor, mehr Springbrunnen und echten Präsidentenpalästen. Es gibt goldene Kuppeln, ein Gerechtigkeitsministerium (ein zweites ist im Bau), ein Teppichministerium, ein Stoffministerium, aber so gut wie kein Leben auf den breiten neuen Straßen. Mein Versuch, die protzigen Regierungsgebäude abzulichten, schlug leider fehl, da uns ein Soldat erwischte und ich alle Fotos löschen musste. In einer subversiven Aktion haben wir dann Nachts allerdings alles vom Auto aus gefilmt 🙂 Hehe.

Obwohl Niyazov weit über das Ziel hinausschoss, haben seine Untertanen nie rebelliert. Wer will schon aufbegehren, wenn er Strom, Wasser, Gas und 600 Liter Benzin pro Jahr umsonst bekommt? So konnte Niyazov sogar die Wochentage und Monate nach Familienmitgliedern umbenennen und sich seine marmorne Traumstadt erbauen. Mit genug Ölgeld ist alles möglich. Nach Niyazovs Tod im Jahr 2006 machte sein Nachfolger zumindest die Umbenennung der Wochentage und Monate rückgängig und startete ein Modernisierungsprogramm. Modernisierung heißt hier allerdings lediglich, dass er auf protzige goldene Statuen verzichtete und stattdessen auf Fotos setzt (vom wave and smile bis zum Generalkommandeur der Armee sind alle Motive vertreten). Die wenigen Menschen, die Englisch sprechen konnten, waren voll glühendem Nationalstolz. Sie waren allerdings nicht so glücklich, dass die Regierung vor kurzem begann, kleine Gebühren für den Stromverbrauch zu erheben.

Am Größenwahn städtebaulicher Entwicklung geht allerdings auch Charme verloren. Der Tolkuchka Bazar, der einer der interessantesten Zentralasiens sein sollte, ist im letzten Jahr in ein viel zu groß dimensioniertes Marmorgelände umgezogen, das von weit oben gesehen einem turkmenischen Teppich ähneln soll. Vom Boden aus gesehen ist er einfach nur zu groß und langweilig. Eine einzige Enttäuschung, nachdem auch schon der Sonntagsbasar in Kashgar nur ein Schatten seiner selbst war. Auch unser Hotel wird uns nicht besonders positiv in Erinnerung bleiben. Wir haben hier die teuersten Nächte unserer Reise verbracht und bekamen dafür zum Frühstück sieben kalte, ölige Nudeln und ein ebenso kaltes Spiegelei ohne Salz und Pfeffer. Einen halbe Tag verwendeten wir darauf, eine andere Bleibe zu finden, beide Adressen inoffizieller Gästehäuser, die sich im Internet fanden, waren allerdings schon der Abrissbirne zum Opfer gefallen, die Platz für die heranrückenden Marmorpaläste schafft. Couchsurfen ist in Ashgabat auch nicht wirklich möglich, da die Beherbergung von Ausländern nicht gestattet ist (genauso wenig ist eine Beziehung zwischen ausländischen Männern und turkmenischen Frauen erlaubt). Auch im Straßenverkehr sind die Kontrollen mehr als engmaschig, Polizisten stehen überall und ahnden die kleinsten Verstöße.  Wir trafen uns mit ein paar französischen Couchsurfern, die für die französische Baufirma arbeiten, die fast alle Regierungsgebäude in Ashgabat errichtet (moderne Palastbaumeister sozusagen). Einer von ihnen hatte wegen einer Kleinigkeit seinen Führerschein verloren und alle hatten eine größere Zahl an Strafzetteln vorzuweisen. Selbst das Anhalten mit dem Auto auf den menschenleeren Straßen ruft sofort einen nahe stehenden Polizisten auf den Plan. Auch das Internet wird streng kontrolliert. Alle Internetcafes werden durch die Regierung betrieben, E-mails und andere Aktivitäten mitgelesen.

Ashgabat ist voller Idiotie, aber ein unglaublicher Anblick. Die langen neu angelegten Straßen, an denen noch keine Marmorpaläste stehen, lassen erahnen, wie Ashgabat in einigen Jahren aussehen wird. Zumindest falls kein Erdbeben die Stadt heimsuchen wird.

Das moderne Ashgabat

Ashgabat bietet Springbrunnen in allen Formen und Größen

Eingang zum Märchenland mitten in der Stadt

In das öffentliche Kommunikationsnetz wurde dagegen nur wenig investiert.

Hochzeitspalast

Neutralitätsbogen

 

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