Taschkent – Die Hauptstadt eines nicht ganz normalen Landes

Michael Mittermeier hat sich mal über angeblich unauffällige braune Plastiktüten ausgelassen, die genauso gut in grellen Buchstaben mit der Aufschrift Beate Uhse versehen sein könnten, da doch jeder wisse, woher sie stammen. In Usbekistan gibt es zwar keine Beate Uhse Läden, aber dafür viele Männer mit „unauffälligen“ braunen Plastiktüten, die ständig was von „change money“ murmeln. Die größte usbekische Banknote hat einen Nominalwert von 1000 Usbekischen Som, was nach offizieller Regierungsmeinung gut 0,50 $ entspricht. Nach inoffizieller Schwarzmarktmeinung entsprechen 1000 Som allerdings nur 0,35 $, also gut 30 % weniger. Da fällt die Entscheidung nicht schwer, ob man Geld am Automaten zum offiziellen Kurs ziehen oder lieber den Schwarzmarkthändlern etwas von der Last ihrer Geldscheine abnehmen soll. Auch quantitativ ein guter Tausch. Für eine einzige 50 $ Note bekommt man 140 usbekische Scheine. Und dabei handelt es sich um die nominal größten verfügbaren Banknoten. Wir tauschten 50 $ und bekamen einen Stapel Geldscheine in die Hand gedrückt, der,  wie das Nachzählen ergab, eigentlich doppelt so groß sein sollte. Ein bedauerlicher Irrtum, wie unser Geschäftspartner versicherte und uns einen zweiten Stapel in die Hand drückte.

50 $ in den größten usbekischen Banknoten

Wirklich illegal scheint der Schwarzmarkt nicht zu sein, da die Geschäfte vor den Augen der überall herumlungernden Polizisten abgewickelt werden. Wahrscheinlich verdienen die Polizisten aber einfach mit. Neben dem Devisenschwarzmarkt hat sich hier noch eine andere sowjetische Tradition erhalten. In speziellen Diplomatic Shops können vom Außenministerium akkreditierte Ausländer mit Devisen westliche Produkte kaufen, sofern sie über eine ausländische Kreditkarte verfügen.

Der „Gewinn“ des Geldwechsels auf dem Schwarzmarkt wird allerdings schnell durch die Hotelrechnungen wieder aufgezehrt, da Usbekistan das Land mit dem schlechtesten Preis-Leistungsverhältnis für Übernachtungen ist.  Die geringe Konkurrenz, die die Preise so hoch hält, hängt wohl damit zusammen, dass Touristen für jede Nacht registriert werden müssen. Die Registrierungsscheine, die man wiederum vom Hotel  ausgehändigt bekommt, müssen bis zur Ausreise aufbewahrt werden, da hohe Strafen drohen, wenn man diese nicht vorweisen kann. Zwar scheinen tatsächliche Kontrollen der Registrierungszettel seltener zu werden, aber die Abschaffung wäre dann doch ein zu radikaler Schnitt.  Auch ansonsten kontrollieren die usbekischen Offiziellen Touristen gerne auf Schritt und Tritt. Dem Akbar-Normal-Usbeken ergeht es allerdings auch nicht besser. Zugfahrkarten und selbst Eintrittstickets für den Fernsehturm können nur bei Vorlage des Reisepasses gekauft werden. Der Bahnhof darf nur unter Vorlage von Ticket und Reisepass betreten werden, und an jedem Eingang zur Metro wird der Reisepass kontrolliert, sobald die Polizisten den Verdacht schöpfen, einen Ausländer vor sich zu haben. Nachdem es im Jahr 1999 zu einigen islamistisch motivierten Bombenanschlägen kam, schauen Polizisten an jedem Metro-Eingang in Rucksäcke und öffnen bei Straßenblockaden die Kofferräume aller Autos. Seit 1999 sind auch die Rufe zum Gebet verboten, die in allen anderen islamischen Ländern fünf mal täglich von den Minaretten ertönen. Usbekistan ist damit das ruhigste islamische Reiseland 🙂

Taschkent wurde im 20. Jahrhundert angeblich als Paris der Sowjetunion bezeichnet, und tatsächlich hat die Stadt einige ganz ansehnliche Gebäude zu bieten. Öffentliche Gebäude wie beispielsweise Bahnhöfe sind gut in Schuss, allerdings darf diese auch fast niemand betreten. Anschauen muss reichen. Selbst wenn man den Zug nimmt, wird man eher unter den Gebäuden hindurch oder drum herum geleitet. Das würde den Verdacht nähren, dass es sich eventuell nur um Pappfassaden handelt. Entlang vieler Fernstraßen stehen Blumen und Bäume in Reih und Glied. In Taschkent sowie anderen Städten finden sich gepflegte üppige Blumenbeete in großer Anzahl. Nicht nur in dieser Hinsicht weisen Usbekistan und Weißrussland viele Gemeinsamkeiten auf. Wie Weißrussland verfügt auch Usbekistan über einen Diktator, der der ehemaligen sowjetischen Führungsschicht entstammt. Islam Karimov, das usbekische Exemplar, war allerdings besser darin, eine eigene Nationalität für sein Land zu erschaffen. Während sich die meisten Weißrussen heutzutage als Russen bezeichnen, ist es Karimov gelungen, eine usbekische nationale Identität zu schaffen. Eine große Rolle spielt dabei der mittelalterliche Herrscher Timur, der Anfang der 90er Jahre „ausgegraben“ wurde, und der seitdem als Begründer usbekischen Nationalstolzes herhalten muss. Ihm wurde sogar ein eigenes kathedralenartiges Museum in Taschkent gewidmet. In einer lustigen Mischung werden Nachbildungen historischer Artefakte (von Timur in den Nachbarländern geraubt, dann wiederum von westlichen Kolonialherren geraubt  und heute in Europäischen Museen ausgestellt), glorifizierende Zitate Karimovs und Portraits ehemaliger Herrscher (gemalt in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts) präsentiert, die den Einfluss Timurs auf die Welt verdeutlichen sollen.

Eingangshalle im Timurid Museum

Hmm, irgendwie muss man doch Karimov und Timur auf ein Gemälde bringen können?

Timur

Taschkent wirkt insgesamt zu groß für die Bevölkerung, die es beherbergt. Die Straßen sind oft menschenleer, die Worte Rush Hour und Stau scheinen unbekannt. Ein Abzug der Polizisten aus Taschkent würde die Bevölkerungszahl halbieren. In der Metro findet man zu jeder Tageszeit einen Sitzplatz und die Metro-Stationen dienen zugleich als Atomschutzbunker, die mit riesigen Stahltüren verschlossen werden können. Die Metro-Stationen sind keine Reklameträger, sondern, wie beim großen Vorbild Moskau, öffentliche Kunstgalerien. Da es sich allerdings zugleich um Atombunker handelt, dürfen aus Sicherheitsgründen (?) keine Fotos gemacht werden. Der Klassenfeind könnte ja unter Umständen von den abgelichteten bildenden Künsten profitieren. Auch auf andere Art und Weise versucht man dem Klassenfeind zu treffen. KFC, McDonald oder Burger King gibt es nicht, aber dafür blühen dreiste Imitate. Unter Verwendung der Logos der genannten Ketten und leicht abgewandelten Namen werden Junk-Food-Imitate der übelsten Sorte verkauft. Wüssten die Usbeken, was ihnen da untergejubelt wird, wäre die Revolution nicht fern. Andererseits scheinen Usbeken aber auch nicht zu wissen, wie gutes Essen aussieht. Von daher muss sich Karimov erst mal keine Sorgen machen.

Kirgisisch-Usbekische Grenze. Unser erster Grenzübergang mit Bettlern im Niemandsland

Auch in Usbekistan gibt es Berge. Strecke von der Grenze nach Taschkent.

Taschkent

Blick vom Fernsehturm

Seattle Peace Park in Taschkent. Die Fliesen wurden in den 80er Jahren von Schulkindern in den USA und der Sowjetunion gestaltet.

 

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